neomii

Kapitel 4



Wieder vereint


Ich lebte für diesen einen Moment,
für das Feuer, das nun in mir brennt
und hast es mir wieder geschenkt,
das Gefühl, das man Liebe nennt.



Das Frühstück verging schweigend und auch danach sagte keiner etwas. Als mir die Stille dann unangenehm wurde, brach ich das Schweigen: "Soll ich den Kram hier wegräumen oder willst du das lieber tun?"
"Ich mach´ das! Bleib du sitzen!"
"Okay .."
Er stapelte sich das Geschirr auf seinen linken Arm und lief damit eilig in die Küche. Ich hörte, wie er es abstellte und die Spülmaschine öffnete.
"Verdammt !!"
Ich sprintete in die Küche, um zu sehen, was los war. Er stand regungslos vor der Spülmaschine und als er zu mir aufsah, war sein Blick vorwurfsvoll. Mir blieb nichts anderes übrig als schallend zu lachen. Und da er einfach nicht der Typ war, der ernst bleiben konnte, fiel er in mein Gelächter mit ein.
"Mach das nie wieder!", schimpfte er immer noch lachend.
Vorsichtig, um vor Lachen nichts fallen zu lassen, räumte er das Geschirr weg. Auch die übrigen Essensutensilien räumte er in den Kühlschrank zurück. Ich stand ruhig daneben und schaute mir alles genau an. Vielleicht fand ich ja noch etwas, das er übersehen hatte. Aber bedauerlicherweise schien er das zu merken und achtete auf jede Einzelheit, die er tat.
Wir setzten uns zurück an den Tisch und ich schaute wieder aus dem Fenster. Da fiel mir der Junge wieder ein, doch er war verschwunden.
Diesmal brach Cedric das Schweigen: "Du hast mir aber immer noch nicht gesagt, wie DU heißt."
"Ich habe keinen Namen. Oder zumindest kenne ich ihn nicht", antwortete ich, ohne meinen Blick vom Fenster zu lösen.
"WAS?! Das musst du mir mal erklären!"
"Ich weiß nicht, ob ich dafür eine Erklärung kenne. Ein paar Kilometer von hier bin ich ..." Ich erzählte ihm alles, was ich in den letzten beiden Tagen erlebt hatte. Die Leiche, den monströsen Ast, meine Schlaflosigkeit und das Erlebnis mit der Jungengruppe behielt ich allerdings für mich. Ich wollte ihm nicht zuviel erzählen oder ihm gar die Möglichkeit bieten mich für eine Irre zu halten.
Er hörte mir schweigend zu und nickte hier und da einmal.
"Das ist ja merkwürdig", meinte er und schien in einer tiefen Überlegung zu sein. Ich war mir nicht sicher, ob er zu mir oder zu sich selbst sprach.
Dann blickte er mich wieder an: "Und du weißt wirklich gar nichts, was davor gewesen ist?"
"Nein."
"Sehr merkwürdig. Du sagst, du seist ein paar Kilometer von hier aufgewacht. Hmm ... weißt du noch wo das ist? Vielleicht können wir dort ein paar Hinweise finden. Allerdings kann es auch gut sein, dass du irgendwo ganz anders gelebt hast. Vielleicht hat dich einer verschleppt."
"Ja klar, ein Mann mit schwarzer Maske bringt mich über ganzen Meilen hierher. Warum sollte jemand das tun?"
"Vielleicht war das eine Notsituation. Kann doch sein, dass man dich vor irgendetwas oder irgendwem schützen wollte."
Ich musterte ihn misstrauisch. Wusste er vielleicht etwas? Woher wusste er eigentlich, dass er mich auf dem Revier finden würde? Ist er mir gefolgt? Wusste er von meinen Fähigkeiten? Doch er gab nichts preis. Er schien wirklich nachdenklich.
"Woher wusstest du eigentlich, dass ich auf dem Revier eingesperrt war?"
Seine Stirn kräuselte sich. Er schien sich von seinen Gedanken zu lösen und versuchte wieder in die Realität zurück zu gelangen um meine Frage zu verstehen.
"Achso das. Naja, zwei Kumpels hatten sich geschlagen und ein Bulle hat sie bemerkt. Er zwang sie ins Revier und ich bin mitgegangen. Als sie wieder gehen durften, sah ich, wie man dich weiter ins Gebäude brachte. Also sagte ich zu meinen Kumpels: >Ey, ich komme später nach!<. Ich ging zu dem Kerl am Empfangstresen und erkundigte mich nach dir. Ich versuchte ihn zuerst zu überreden, dich raus zu lassen. Doch er blieb stur und brabbelte von seiner Kaution. Also hab ich sie  bezahlt."
Eine sehr normale Antwort. Wow.
"Aber", fuhr er fort, "du erinnerst mich sosehr an eine Person, die mir sehr am Herzen lag. Du siehst ihr sogar verblüffend ähnlich. Auch deine Stimme. Der einzige Unterschied ist nunmal, dass sie ein wunderschöner Mensch war, aber du überirdisch schön bist. Das irritiert manchmal." Er lächelte verlegen.
Die Vergangenheitsform, in der er von ihr sprach, entging mir nicht. Trotzdem ging ich nicht darauf ein und fragte stattdessen: "Hast du ein Bild von ihr? Ich würde es mir gerne mal ansehen."
"Klar."
Er ging zu seinem Computer und schaltete ihn an. Es dauerte fünf Minuten, bis er voll einsatzbereit war. Er öffnete einen Ordner auf seinem Desktop. Und einen weiteren mit der Aufschrift >Lucie<. Etwas regte sich in meinem Kopf, doch ich konnte es nicht deuten. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er in sich zusammenknickte. Er sah traurig, verletzt aus.
Schließlich machte er einen Doppelklick auf ein Bild um es zu vergrößern. Mir stockte der Atem.
Cedric sah mich benunruhigt an, als ich mit offenem Mund vor der Kiste stand und kein Wort aus mir heraus bekam.
"Alles in Ordnung?"
Ich sah mir das Bild genau an und ich wusste: Das Mädchen auf dem Bild war ich selbst. Sie hatte genau dieselben Züge und Augen. Und was mir eine weitere Bestätigung war: sie trug diesselben schwarzen Pömps und dieselben Creolen an den Ohren. Ganz in das Bild vertieft glitt meine Hand über meine Ohrläppchen.
Cedric bemerkte das und sah gleichzeitig total baff und entschlossen glücklich aus. Wahrscheinlich hatte er die gleichen Schlussfolgerungen gezogen.
"Lucie?", fragte er vorsichtig.
"Ja?", sagte ich  tonlos. Ich war überrascht von mir selbst, dass ich auf den Namen reagierte. Eine Reaktion, die für mich früher normal gewesen war?
"Du bist es? Ich dachte, du seist tot!" Sein Ton war leise, ungläubig.
Langsam löste ich meinen Blick vom Bildschirm und sah ihm in die Augen. Tot? Offiziell galt ich als tot?
"Wo wohnte ich, Cedric?" Meine Stimme war ruhig.
"Belgien. Und das ist ein gutes Stück weit weg von hier."
Das ergab Sinn. Vielleicht hatte er recht. Man hatte mich hierhin verschleppt. Um meine Identität geheim zu halten? Warum  sollte man mich in die Nähe eines Bekannten bringen? Vielleicht war es Zufall?
Aber nein, er war kein Bekannter, nicht wahr? Er war viel mehr als das, ich konnte es spüren. Ich sah Cedric tief in die Augen und da schlang er auch schon seine Arme um mich. Ich ließ diesen Gefühlsausbruch zu, drückte mich an ihn und fing an zu schluchzen. Mein Cedric?



 

 
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